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Ketchup:
Tomaten-Ketchup besteht zu ungefähr gleichen
Teilen
aus Tomatenkonzentrat, Essig und
Zucker,
dazu Salz, Gewürze, Zwiebelpulver und
Aromastoffe.
Vor hundert Jahren begann der Siegeszug des Ketchups. Wie es eine
dickflüssige Tomatensauce schaffte, sich unentbehrlich zu machen.
Von Andrew F. Smith
Im weiten Horizont der Küchen dieser Welt könnte Ketchup als ein vernachlässigbares Würzmittel erscheinen. In Wirklichkeit ist die Ketchup-Industrie gigantisch. Sie verwertet jährlich 35,8 Millionen Tonnen Tomaten und setzt eine halbe Milliarde Dollar um. In den Vereinigten Staaten kaufen die Menschen mehr als 300 Millionen Liter pro Jahr – das ist etwa 1 Liter pro Einwohner –, und rund 97 Prozent aller amerikanischen Haushalte haben immer eine Flasche davon vorrätig. Aber die Amerikaner sind keineswegs die grössten Ketchup-Konsumenten der Welt. Diese Auszeichnung gebührt den Schweden, die jährlich etwa 3 Liter pro Kopf verzehren. Auf dem zweiten Platz folgen die Kanadier mit rund 2,5 Litern pro Jahr, vor den Venezolanern. Ketchup wird heutzutage in jedem Land der Welt verkauft.
Die Jugendlichen aller Länder schütten Ketchup auf beinahe alles, was man essen kann. Ketchup ist zu einem Teil der Populärkultur geworden. Die spanische Popband «Las Ketchup» landete 2002 mit ihrem Song «Aserejé» (der in der englischen Übersetzung nur «The Ketchup Song» hiess) einen Grosserfolg, der in der Schweiz, Deutschland, Portugal, Spanien, Mexiko, Schweden und vielen anderenLändern wochenlang Spitzenpositionen in den Charts besetzte.
Wenn man seine heutige internationale Verbreitung vor Augen hat, mag man kaum glauben, dass Ketchup vor gut hundert Jahren noch eine unbedeutende Flüssigwürze war, die nur in einigen englischsprachigen Ländern benutzt wurde.
Wie konnte die Tomatensauce eine derartige globale Berühmtheit erlangen? Die Antwort liegt zum Teil in der ungewöhnlichen Geschichte des Ketchups, die in Asien begann. Ursprünglich war Ketchup weder süss noch dickflüssig noch tomatig. Das Wort „Ketchup“ stammt vielmehr aus Indonesien, wo „kecaps“ – fermentierte Saucen auf Fisch- und Sojabasis – bei Ankunft der Europäer im 17. Jahrhundert weit verbreitet waren. Die britischen Kolonialisten lernten diese scharfen Würzmittel zu schätzen, und schon bald reiste „kecap“ nach England, wo die Saucenhersteller und Kochbuchautoren sich den Namen aneigneten und aus seiner exotischen Herkunft Gewinn zu schlagen hofften.
Da nur die wenigsten Briten tatsächlich Südostasien bereist oder echte „kecaps“ probiert hatten, bestand weder Notwendigkeit noch Neigung, sich bei den Nachahmungen an die asiatischen Originale zu halten. Weil in Europa seinerzeit keine Sojabohnen angebaut wurden, benutzten die britischen Köche stattdessen Lebensmittel wie Pilze oder rote Bohnen, um neue Arten von Ketchup zu kreieren, die nur noch entfernte Ähnlichkeit mit den südostasiatischen „kecaps“ aufwiesen. Die meisten britischen Versionen wurden aus Pilzen, Fisch oder Walnüssen hergestellt, aber es gab auch weniger geläufige Sorten auf der Grundlage von Früchten, Gemüse oder Meeresfrüchten.
Anfänglich wurde in Grossbritannien kaum zwischen Sauce und Ketchup unterschieden. Mit der Zeit jedoch verstand man unter Sauce etwas, das frisch zubereitet serviert wird. Ketchup dagegen bezeichnete Produkte, die zum späteren Gebrauch in Flaschen abgefüllt wurden und denen daher mehr Konservierungsmittel, insbesondere Salz und Essig, zugesetzt wurden.
Die britischen Ketchups wurden zubereitet, wenn die wesentlichen Zutaten im Überfluss vorhanden waren, hauptsächlich also im Sommer und Herbst. Nach der Konservierung konnten sie dann im Winter und Frühjahr gegessen werden.
Trotz der grossen Unterschiede in Zusammensetzung, Konsistenz, Geschmack und Geruch hatten alle Ketchups eine ähnliche kulinarische Funktion: Sie dienten dazu, anderen Speisen Würze, Farbe und Aroma hinzuzufügen und den Geschmack von schlechtem oder fadem Essen zu übertönen. Viele der frühen Ketchup-Rezepte verwendeten dieselben Gewürze – vor allem Nelken, Pfeffer, Ingwer und Muskatblüte. Ausserdem benutzte man scharfe Aromen wie Knoblauch, Zwiebeln, Senf, Meerrettich und Chili. Erst später reduzierten die Hersteller den Anteil an Gewürzen und Aromen, um den Geschmack des Fischs, der Pilze oder des Gemüses besser zur Geltung zu bringen.
Die britischen Essgewohnheiten bildeten das Fundament der Ernährung in den nordamerikanischen Kolonien. Zu den in Amerika übernommenen Elementen der englischen Esskultur gehörten auch Myriaden von Ketchups. Selbst nach der amerikanischen Revolution (1770–1789) blieben die neu gebildeten Vereinigten Staaten ihrer britischen Mutterküche treu. Ein Nahrungsmittel jedoch, das nicht zum britischen kulinarischen Erbe gehörte, war die Tomate.
Ketchup selbst gemacht
Die Tomate stammt ursprünglich von der Westküste Südamerikas, wurde jedoch in Mittelamerika domestiziert. Als die spanischen Konquistadoren in der Neuen Welt eintrafen, war sie in Mexiko bereits ein Grundnahrungsmittel. Die Spanier brachten die Pflanze nach Europa, wo sie im Süden rasch Verbreitung fand, während die Nordeuropäer sie für giftig hielten. Erst im 18. Jahrhundert begannen Wagemutige in England und Amerika, Tomaten zu essen. In den Vereinigten Staaten stieg der Konsum frischer Tomaten danach stark an, bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Tomate zur Königin der Gemüse geworden war.
Die Tomatenpflanze ist äusserst ergiebig. Da aber während der Hochsaison nur eine bestimmte Menge frischer Früchte gegessen werden kann, wurde die Tomate in den Vereinigten Staaten bald zur bevorzugten Grundlage selbstgemachter Ketchups. Die nach Familienrezepten aus lokal geernteten Tomaten hergestellten Ketchups erreichten im späten 19. Jahrhundert ihren Zenit, doch schon bald konnte man in allen Läden günstig Ketchups kaufen, und die hausgemachten Sorten verschwanden fast vollständig aus den Küchen. Auch die Vorlieben der Konsumenten änderten sich. Bald zogen die Amerikaner das kommerziell in Flaschen abgefüllte, dickflüssige, sämige, dunkelrote Ketchup den selbstgemachten Varianten vor, die oft klumpiger oder wässriger waren und eine wenig appetitliche, dunkelbraune Farbe aufwiesen.
Das kommerzielle Ketchup war ursprünglich ein Nebenprodukt der Herstellung von Dosentomaten. Tomatenpflanzen waren billig und leicht anzubauen. Die Bauern machten die grössten Profite zu Beginn der Saison, wenn das Angebot noch begrenzt war, im Spätsommer dagegen wurde der Markt mit Tomaten überschwemmt, und die Preise stürzten in den Keller. Dann kauften die Dosenfabrikanten die Früchte tonnenweise. Von Anfang September bis Mitte Oktober wurden die Hersteller mit Wagenladungen von Tomaten überflutet, und viele Fabriken arbeiteten sechs Tage die Woche rund um die Uhr.
Bei der Verarbeitung wurden grosse, reife Tomaten geschält und entkernt. Die Abfälle landeten zusammen mit kleinen, unregelmässig geformten Früchten in Fässern und wurden am Ende der Saison zu Ketchup weiterverarbeitet. Da das Tomaten-Ketchup ursprünglich aus Ausschuss hergestellt wurde, kostete es in der Herstellung wenig: Der Ladenpreis fiel von 3 Dollar 50 pro Liter im Jahr 1870 auf 5 Cent pro Liter im Jahr 1900. Mit dem Ansteigen der Ketchup-Verkäufe begannen einige Fabriken höherwertige Versionen zu produzieren, die nicht mehr aus Abfällen, sondern aus reifen, roten Tomaten hergestellt wurden. Diese Luxusvariante, die nur wenige Cents mehr kostete, wurde schliesslich zum allgemeinen Branchenstandard. Die Hersteller versuchten der harten Konkurrenz mit ausgedehnten Werbekampagnen für bestimmte Edelketchup-Marken zu begegnen, und die zunehmende Werbung führte im Verbund mit stetig sinkenden Preisen zu einem sich immer weiter hochschraubenden Tomatenketchup-Konsum.
In den Anfangstagen der kommerziellen Ketchup-Herstellung hing das Endprodukt stark von der Qualität seiner Zutaten ab. Im 19. Jahrhundert unterschieden sich die Tomaten noch deutlich in Farbe, Form, Grösse und Geschmack. Auch die Qualität frischer Tomaten variierte stark, und jede Ladung musste zunächst untersucht und gegebenenfalls anders verarbeitet werden als die letzte. Die Tomaten wurden auf grossen Holzfeuern eingekocht, die schwer zu regulieren waren, und oft brannte die Sauce bei der Zubereitung an. Aber auch bei gleichmässiger und einheitlicher Erhitzung hing die Kochzeit von der Reife, der Süsse und dem Feuchtigkeitsgehalt der Tomaten ab. Ein fähiger Ketchup-Koch war ein gesuchter Handwerker, und die Unternehmen scheuten keine Anstrengung, einen erfahrenen Koch davon abzuhalten, zur Konkurrenz zu wechseln oder – schlimmer noch – einen eigenen Betrieb zu eröffnen.
Die optimale Flasche
Der Teilstaat Pennsylvania, der über ertragreiches Ackerland verfügt, wurde zu einem der Zentren der Ketchup-Produktion. Der neunzehnjährige Henry J. Heinz begann 1873 in Sharpsburg mit der Herstellung von Tomaten-Ketchup. Anfangs gehörte das Ketchup nicht zu den wichtigsten Produkten des Unternehmens. Als es im Verlauf der 1880er Jahre zusehends an Bedeutung gewann, begann Heinz nach der optimalen Ketchup-Flasche zu suchen. Nach einer ganzen Reihe von patentierten Prototypen hatte er 1890 endlich die ideale Flasche gefunden – es war die inzwischen klassische Form mit achteckigem Boden, langem Hals, Schraubverschluss und leicht erkennbarem Etikett.
Kurz nach der Jahrhundertwende war die mittlerweile in Pittsburgh, Pennsylvania, ansässige H. J. Heinz Company zum grössten Tomatenketchup-Produzenten Amerikas aufgestiegen. 1905 produzierte das Unternehmen mehr als fünf Millionen Flaschen Ketchup pro Jahr, im darauffolgenden Jahr waren es bereits zwölf Millionen.
Fast von Anbeginn bemühte sich die Firma Heinz auch um die Vermarktung ihres Ketchups in anderen Ländern. Sie stellte ihre Produkte auf internationalen Warenmessen aus, und H.J. Heinz reiste persönlich um die ganze Welt, um seine Firma bekannt zu machen. Ab 1907 verschiffte Heinz knapp 10 000 Hektoliter Ketchup jährlich nach England, doch auch nach Südamerika, Europa, Australien, Neuseeland, Südafrika, Japan und China wurde das Produkt exportiert.
Tomaten-Ketchup war ein vielseitiges Produkt. Es verbesserte die Farbe und den Geschmack fertiger Gerichte, wurde aber auch in Suppen, Saucen und Salatsaucen verwendet. Mit der Zeit entwickelte es sich zur bevorzugten Würze zu Steaks, Schnitzeln, Fisch, Austern, Eiern und vielen anderen Speisen. Schliesslich wurde Ketchup zur Königin der amerikanischen Saucen und zu einer unabdingbaren Beilage zu Hotdogs, Hamburgern und Pommes frites.
Im Unterschied zu den knackigeren und strenger gewürzten europäischen Würsten mangelt es den amerikanischen Hotdogs an Geschmack. Um sie schmackhafter zu machen, fügen die Amerikaner würzige Beilagen wie Mayonnaise, Senf, Essiggurken, Sauerkraut und Ketchup hinzu. Ketchup war der billigste dieser Geschmacksverbesser und bereits 1900 zur vorherrschenden Ergänzung von Hotdogs geworden. Aus demselben Grund wurde die Tomatensauce später zur Beilage zu den notorisch faden Industriehamburgern. Obschon Pommes Frites schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihren Weg nach Amerika gefunden hatten, galten sie wegen der hohen Kosten für das benötigte Frittieröl zunächst als Luxusgericht.
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts sanken jedoch die Preise für Bratöl merklich, und es wurden Maschinen erfunden, mit denen man leicht und gefahrlos frittieren konnte. Seitdem sind „French fries“ ein integraler Bestandteil der Fastfood-Küche und haben ihren Teil zum steigenden Ketchup-Konsum beigetragen. Ein weiterer Grund für die wachsende Beliebtheit und den kommerziellen Erfolg des Tomaten-Ketchups ist seine Süsse – der Appetit der Amerikaner auf Süsses scheint fast unstillbar.
Im 19. Jahrhundert wies das durchschnittliche Ketchup noch einen viel höheren Säuregehalt auf als heute, viele Ketchups enthielten gar keinen Zucker, weil er viel zu teuer war. Als jedoch im späten 19. Jahrhundert die Zuckerpreise fielen und die Ketchups immer süsser wurden, beklagten sich viele Leute, dass man die Tomaten nicht mehr schmecke. Die Geschmacksverschiebung dürfte damit zusammenhängen, dass die Hersteller gemerkt hatten, dass ihre Hauptkonsumenten Kinder und Jugendliche waren, die Saucen, mit denen man praktisch jedes Essen versüssen konnte, über alles liebten. Laut Stiftung Warentest enthalten zum Beispiel 100 Gramm Heinz-Ketchup 25,5 Gramm Zucker. Das entspricht 48 Stück Würfelzucker pro Halbliterflasche. Neben dem Zucker wird dem heutigen Ketchup auch viel Salz beigegeben. Eine Einzelportion Ketchup von rund 10 Gramm enthält etwa 105Milligramm Kochsalz.
Viel Zucker, viel Salz: Kein Wunder, hat Ketchup den Ruf, ungesund zu sein. Nach der Todesursache des 1995 verstorbenen Grateful-Dead-Gitarristen Jerry Garcia befragt, sagte ein Bandsprecher, Garcia sei nie von seiner „Diät aus Hotdogs, Ketchup und Zigaretten“ losgekommen. Ketchup ist vielleicht nicht ganz so gesund wie frische Tomaten, enthält aber zum Beispiel Vitamin A und C. Die Ernährungsprobleme, die dem Ketchup angelastet werden, hängen oft mit den Lebensmitteln zusammen, zu denen Ketchup gegessen wird. Hotdogs, Hamburger und Pommes Frites enthalten viel Fett und Salz.
Die amerikanische Regierung unter Ronald Reagan kam 1981 sogar auf die Idee, Ketchup offiziell zu Gemüse zu erklären. Damit wäre der oft an Schulen servierte Hamburger mit Ketchup zu Fleisch mit Gemüse umdefiniert worden, und es hätte kein zusätzliches Gemüse mehr serviert werden müssen.
Geheime Formeln
Bis 1950 wurden die meisten Ketchups aus frischen Tomaten, natürlich gegorenem Essig, Rohr- oder Rübenzucker und Gewürzen hergestellt. Mittlerweile jedoch haben die meisten Produzenten den Zucker durch Maissirup ersetzt, und manche benutzen Zwiebelpulver anstelle von frischen Zwiebeln. Viele Produzenten verwenden inzwischen auch nicht näher spezifizierte „naturidentische Aromastoffe“, um das Fehlen anderer Zutaten aufzuwiegen. Diese Substitute haben die Herstellungskosten weiter gesenkt, und die meisten Konsumenten sind offenbar nicht in der Lage, den Unterschied zu schmecken.
Die genauen Formeln für die Spitzenmarken werden streng geheim gehalten, aber die Produkte der grossen drei amerikanischen Marken (Heinz, Hunt und Del Monte) bestehen aus etwa einem Drittel Tomatenkonzentrat, einem Drittel Essig sowie Süssstoffen und geringen Mengen von Aroma.
Seit den 1970er-Jahren werden die meisten Ketchups aus Tomatenkonzentrat hergestellt, das in sterilen Plastiksäcken per Lastwagen oder mit der Bahn angeliefert wird. Die Verwendung von Konzentrat hat die Produktion wirtschaftlicher gemacht, weil die Herstellung nicht mehr von der Erntesaison abhängig ist und die Fabriken das ganze Jahr über Ketchup abfüllen können.
In den 1960er-Jahren kam es zu einer kleinen Revolution in der Ketchup-Verpackung. Bis dahin flossen etwa 60 Prozent der gesamten Herstellungskosten in die Verpackung. In den frühen 1970er-Jahren führte die Firma H. J. Heinz das sogenannte Vol-Pak ein, ein aseptischer Plastikschlauch, der in Gastrobetrieben im Regal steht und aus dem die wieder verwendbaren Plastikflaschen neu befüllt werden können. Das Vol-Pak ersetzte in der kommerziellen Gastronomie schon bald die herkömmliche Ketchup-Flasche.
Dieselbe Firma Heinz war auch für zwei weitere Neuerungen in der Verpackung verantwortlich. In den 1980er-Jahren führte sie als erste den Portionenbeutel ein, der durch die stetig wachsenden Verkäufe in den Fastfood-Ketten reissenden Absatz fand. Auch die zusammenpressbare Plastikflasche ist eine Erfindung von Heinz; sie ist viel leichter zu benutzen als die alten Glasflaschen und praktisch unzerbrechlich. Heute wird der grösste Teil des Ketchups in den Vereinigten Staaten in Plastikflaschen oder Portionenbeuteln verkauft.
Esperanto der Küche
Nachdem sich Ketchup in der englischsprachigen Welt durchgesetzt hatte, eroberte es auch den Rest der Welt: Lateinamerika, Europa, Australien, ja sogar Ost- und Südostasien. Die Dänen schütten es auf Nudeln, die Chinesen essen es mit Reis. Die Japaner nehmen Ketchup zu Kohlrouladen, Hotdogs und Omeletten. In den Niederlanden und Venezuela wird es als Pastasauce geschätzt, während es in Kanada zu Hackbraten und Shepherd’s Pie gegessen wird. Die grössten Ketchup-Konsumenten der Welt,die Schweden, essen es zu Fleisch- und Fischklösschen.
Der grösste Ketchup-Produzent der Welt ist die Firma H. J. Heinz, die in 200 Ländern 580 Millionen Flaschen Ketchup jährlich umsetzt. Während Heinz mit etwa 40 Prozent globalem Marktanteil weiterhin die Welt des Ketchups beherrscht, haben sich ausserhalb der Vereinigten Staaten andere Hersteller etabliert. Der anglo-niederländische Multi Unilever ist einer der Haupt-Ketchupproduzenten in Europa und darüber hinaus. Erst kürzlich hat das Unternehmen den führenden Ketchup-Produzenten Indiens, Kissan Products, sowie lokale indische Vertriebsnetze aufgekauft. Ebenfalls vor kurzem hat Unilever die Saucensparte von Baltimore Holdings erworben und ist damit zum führenden Ketchup-Hersteller Russlands aufgestiegen.
In Japan ist Kagome der grösste Hersteller, vor Kikkoman und Heinz. Im Land mit der weltgrössten Tomatenproduktion, China, teilen sich sechzehn einheimische Produzenten den Markt.
Der wachsende internationale Erfolg ist ein Ergebnis seiner Anpassung an den örtlichen Geschmack. Auf den Britischen Inseln und in Südamerika schmeckt Ketchup süsser, in Mitteleuropa und den Benelux-Ländern würziger. In Grossbritannien sind ausserdem scharfe Ketchups mit Chili und Curry in Gebrauch, während in Polen mexikanisches Ketchup und Pizza-Ketchup verkauft wird. In Australien, Neuseeland, Südafrika und Malaysia wird Ketchup ganz ohne Essig hergestellt und meist nur „Tomatensauce“ oder „rote Sauce“ genannt. Für den europäischen Markt produziert Kraft Foods International Paprika- und Curry-Ketchup.
Die Ausrichtung auf unterschiedliche Geschmäcker hat im Verlauf des letzten Jahrzehnts zu einer Vielzahl von neuen Ketchups geführt. Inzwischen gibt es biologische, salzfreie oder zuckerfreie Ketchups zu kaufen. Während die meisten Ketchups auf der Welt immer noch im Wesentlichen aus Tomaten bestehen, gibt es nun auch Designer-Ketchups aus Äpfeln, Rhabarber oder Baumnüssen.
Elizabeth Rozin, Expertin auf dem Gebiet kulinarischer Geschichte, glaubt, „der vertraute und geliebte Geschmack von Ketchup auf allen Speisen, denen es beigegeben wird“, vermittle den Amerikanern „ein Gefühl des Wohlbehagens und der Sicherheit… Optisch ist Ketchup als Abwandlung der blutigen Sauce unübertroffen – es ist nicht nur auf vegetarischen Speisen Blutersatz, sondern verstärkt auch den Eindruck der Blutigkeit von Fleischgerichten. Zugleich befriedigt es die universell angeborene Lust des Menschen auf Süsses.“
Keine andere Sauce dürfte je einen vergleichbaren Siegeszug angetreten haben. Durch die globale Ausbreitung der Fastfood-Ketten nimmt der Ketchup-Konsum weiter um schätzungsweise 3 Prozent jährlich zu – und dies selbst in Rezessionszeiten. Für manche Kritiker ist Ketchup ein von Amerika ausgehendes kulinarisches Verhängnis, andere sehen in ihm einen Zerstörer lokaler Esstraditionen und einen Agenten globaler Gleichmacherei. Doch Ketchup bleibt eine der grössten Erfolgsgeschichten in der Welt der Saucen. Oder wie Elizabeth Rozin sagt: „Seine besondere und einzigartige Fähigkeit, jedem etwas zu geben, macht Ketchup zum Esperanto der Küche.“
Andrew F. Smith ist Ernährungshistoriker; er lehrt an der New School University in Manhattan. Übersetzung: Robin Cackett, Berlin.
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